Es ist Lichterzeit
28. November 2015

Es ist Lichterzeit.

Von M. Breuninger 

Zeit der Wunschlisten und Tannenbäume. Zeit für Mandarinenschalenduft und überfüllte Einkaufszentren. Die Zeit, in der sich die Wohnzimmer Deutschlands in schimmernde Behaglichkeit kleiden. Aber es gibt nur ein einziges Wohnzimmer, in dem alles außer Licht und Wärme in den Hintergrund tritt.

Dieses Wohnzimmer befindet sich, wie jedes Jahr, in der ersten Dezemberwoche, in der Chorkapelle der evangelischen Kirche in Ludwigsburg, oberhalb des Weihnachtsmarktes und ist offen für jeden. Aber um was genau zu tun?

„Zwei Stunden Zeit, nichts anderes zu tun als da zu sein. Mit Gott und mit mir selbst.“  So beschreibt Wolfgang Müller von der katholischen Jugendkirche Ludwigsburg seinen Aufenthalt im 24-7 Wohnzimmer.

„Seit einigen Jahren sind wir, wann immer es uns möglich ist, Teil der Gebetswoche und seit wir Kinder haben, mit ihnen gemeinsam. Sie haben sich in die Kissen gekuschelt, fleißig gemalt, Autos bewundert oder in den Kinderbibeln geblättert. Ich genieße es sehr, meine Kinder in meine Gebetszeiten mit einzubinden und selten gelingt das so entspannt, wie in diesem Raum“, lautet Yamina Haas' Resümee zu ihrer Zeit in diesem Raum.

Christine Wiedmaier hat für sich ebenfalls eine von unzähligen Antworten auf die Frage gefunden, mit was man eine Stunde füllen kann: „Ich ließ mich in einen Sitzsack sinken, setzte Kopfhörer auf und drehte die Musik auf. Eine Stunde hörte ich Lieder, die ich schon eine Ewigkeit nicht mehr gehört habe und einige davon sprachen mir aus der Seele, rührten mich zu Tränen und ich spürte wie ein Frieden in mein Herz gelangte, den die Welt nicht geben kann.“

Und neben diesen, lud das heimelige Wohnzimmer zu etlichen anderen Möglichkeiten ein, so dass der Raum schon bald voller lebendiger Zeichen seiner Besucher war: Zahllose bunte Zettel an Wäscheleinen, mit notierten Bitten und Nöten, Ängsten und Dank. Pinnnadeln in einer Stadtkarte ließen die Zahl der vorangegangenen Besucher erahnen und das Gefühl alleine zu sein, verblassen. Es war ein Raum für alle. Um vieles zu tun und doch letztlich für eines: Manche nennen es schlicht „beten“, doch dieses Wort ist zu sehr von individuellen Ansichten und engen Vorstellungen begrenzt. Die zahllosen Menschen, die in dieser Woche eine oder mehrere Stunden im 24-7 Gebetswohnzimmer verbracht haben, haben mehr erlebt, als dieses simple Wort zusammenfassen könnte. Egal ob es die Mutter mit Kind, die 79jährige Großmama oder das junge Ehepaar war. Egal ob eine ganze Gruppe das kleine Zimmer brechend voll mit Leben füllte oder eine einzelne Person noch vor der Arbeit hier eine Gebetsschicht einlegte. Gleich, ob es Menschen mit tief wurzelndem Glauben waren, oder solche, die sich fern von Gott sehen und doch dorthin gezogen wurden. Mit den Worten von Dekan Winfried Speck: „Sie alle haben die kleine, aber feine Gelegenheit mitten im Trubel des Weihnachtsmarktes wahrgenommen, ins Reden des Herzens mit Gott zu kommen und gemeinsam für Menschen in dieser Stadt zu beten.“

Das haben sie. In ihrer Vielfalt und trotzdem in Einheit. Doch die wichtigste Wahrheit über die Zeit im Gebetswohnzimmer, über das „mehr als beten“, findet sich in einem Satz, den ein unbekannter Besucher ins Logbuch schrieb: Mein Monolog endet in diesem Raum. In der Hoffnung, dass in diesem Raum viele Monologe endeten.

Am 1. Advent (28. November 2015) startet das diesjährige 24-7 Prayer Gebetswohnzimmer - und so kannst du mit dabei sein: http://www.24-7prayer-lb.de/index.php?section=timelist

Es folgt ein Kurzinterview mit dem Initiator der Ludwigsburger 24-7 Gebetswoche:

Wozu aber eigentlich der Aufwand, riesige Materialkisten enge Wendeltreppen hinauf zu schleppen, um für eine Woche ein Wohnzimmer zu gestalten?

Für Daniel Nolte, Initiator der Ludwigsburger 24-7 Gebetswoche und Geschäftsführer der Werbeagentur Tube20 , gibt es da nur eine Antwort:
 
„Es kommt oft vor, dass sich neue Teilnehmer fragen: ‚Auf was habe ich mich bloß eingelassen – 1 Stunde beten?‘ Aber dann stellen sie fest, dass die Stunde viel zu schnell vorübergeht, und fragen sich: ‚Habe ich tatsächlich eine Stunde mit Gott im Gebet verbracht?‘ Und Ihnen fällt auf, dass die vielen kreativen Elemente im Wohnzimmer, für zur Begegnung mit Gott geführt haben. Beten ist in erster Linie eine Liebesbeziehung mit Gott. Ich glaube, dass diese Beziehung durch viele Klischees kaputtgegangen ist. Das Gebetswohnzimmer lädt ein, einen neuen Zugang zu Gott zu finden, fernab von alten Klischees.“

Für uns ist es seit Jahren ein echtes Privileg, kreative Gebetswohnzimmer in Ludwigsburg und deutschlandweit auf Festivals und Kirchentagen zu schaffen, wo Menschen mit Gott reden können. Mehr als einmal durften wir miterleben, wie Gebet Grenzen sprengt und Vorurteile vergessen macht.
 

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Text: Miriam Breuninger und Tube20, Bilder: Samuel Kümmel, © 24-7 Prayer Ludwigsburg

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